Wir haben für Sie den E-Commerce-Report Schweiz 2015, indem die Studie der Professoren Wölfe und Leimstoll von der Fachhochschule Nordwestschweiz behandelt wird, kurz zusammengefasst.
Wettbewerb der Systeme
Das Wachstum wird sich verlangsamen, aber es wird weitergehen, so die allgemeine Erwartung. Der Trend Mobile entfaltet sich mit hoher Geschwindigkeit.
Auf 5.9 Mrd CHF beziffern der Verband des Schweizer ischen Versandhandels VSV und GfK Switzerland den Wert online bestellter Waren mit Empfängeradresse in der Schweiz. Auf weitere 200 Mio CHF wird der Wert der Onlinebestellungen geschätzt, die Schweizer von ausländischen Anbietern an eine grenznahe Abholstation senden lassen und selbst in die Schweiz einführen. Die 6.1 Mrd CHF liegen um 9.9 % über dem für 2013 ermittelten Wert
Erwartungen für 2015
Ein Drittel der Anbieter geht davon aus, dass das E-Commerce-Wachstum ihrer Branche zum grössten Teil von wenigen, international führenden Pure Playern getragen wird. Typische Kandidaten dafür sind Amazon im Medienhandel oder Zalando im Modehandel, auch die Reisebranche sieht sich betroffen. E-Commerce wird eben auch als Kanal für bequeme Auslandseinkäufe an Bedeutung gewinnen
Treiber des E-Commerce Wachstums
Als stärkster Treiber, der E-Commerce nochmal einen neuen Schub geben soll, wird Mobile angesehen Der langfristige Trend immer noch zunehmender Kompetenz der Konsumenten im Umgang mit Internet und E-Commerce gilt als ungebrochen und wird durch den demografischen Wandel weiter unterstützt. Als drittstärkster Treiber wird die hohe Leistungsfähigkeit reiner E-Commerce-Anbieter angesehen.
Anhaltende Dynamik
Der Grossteil der Studienteilnehmer sieht sich in einer Branche, in der der Wettbewerb weiter zunimmt. Sinkende Preise oder ein überproportional wachsendes Angebot, manchmal auch beides, beobachten über drei Viertel der Befragten in ihrem Markt. Neben einigen reinen Besitzerwechseln hat es auch im vergangenen Jahr wieder Konsolidierungen gegeben. Über die Reisebranche hinaus Aufsehen erregt hat der bisher erst angekündigte Verkauf des Reiseveranstaltergeschäftes durch Kuoni. Auch der Rückzug der SBB aus dem Reisebürogeschäft wird mit dem seit Jahren rückläufigen Volumen und vermehrten Onlinebuchungen begründet. Ebenfalls bis in die Schweiz auswirken könnte sich der im Februar 2015 angekündigte Kauf der Orbitz Worldwide Gruppe, inkl. ebookers, durch Expedia. Im Juni 2014 wurde der Management Buyout von La Redoute aus der Kering-Gruppe besiegelt. KOALA wird rund vier Jahre nach seiner Gründung von Aeschbach Schuhe in Genf übernommen. Tamedia gab die Übernahme des Premium-Fashion-Shopsstromberg.ch bekannt. Er wird zusammen mit Fashion Friends in der neu gegründeten Swiss Online Shopping AG geführt, womit Tamedia sein Engagement im Fashion-Onlinehandel ausbaut. Im Handel mit IT- und Unterhaltungselektronik übernahm der Onlinehändler PCP.CH die STEG Electronics AG. BRACK.CH übernahm zwei Kleinunternehmen, das OnlineMusikhaus musicplace.ch und den Onlineshop OHC24.ch. Migros übte eine 2012 vereinbarte Option auf eine Aktienmehrheit an Galaxus aus und hält neu 70 % am Kapital.
Entwicklung auf Anbieterseite
Wer jetzt noch in den Markt einsteigen will, muss – sofern er kein Nischenkonzept verfolgt – viel Geld mitbringen. Die Umsatzschwellen, ab denen eine eigenständige E-Commerce-Lösung mit State-of-the-art-Leistungen in der Branche als überlebensfähig angesehen wird, ist für ein Start-up nicht mehr so leicht erreichbar wie noch vor 15 Jahren. 100 Mio CHF sehen die beiden Lebensmittelanbieter einheitlich als erforderliches Volumen an. Für einen Fashion-Anbieter mit breitem Sortiment nennen zwei Brancheninsider 20 Mio CHF.
Situation in einzelnen Branchen
Supermarkt
Der Onlinehandel mit Lebensmitteln ist eines der E-Commerce-Segmente, in denen die vertriebsbezogenen Stückkosten höher sind als im Ladenverkauf und der Kanal E-Commerce unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht gewinnbringender ist. LeShop ergänzt das mit der Schweizerischen Post realisierte Konzept der Heimlieferung einerseits durch verschiedene Formen von Pick-up-Übergabepunkten, andererseits durch das eigenständige Konzept LeShop Drive, bei dem Kunden ihre Ware schon zwei Stunden nach der Onlinebestellung mit dem Auto an lokalen Rüstzentren abholen können. Coop@home setzt dagegen primär auf Heimlieferung, erhöht den Eigenauslieferungsanteil kontinuierlich und macht dadurch Same Day Delivery in einem Zustellzeitfenster von einer Stunde möglich.
Medienhandel
Der Schweizer Medienhandel ist bereits stark geprägt durch die Transformation, die einerseits durch die Digitalisierung der Medien, andererseits durch die Überlegenheit globaler Player wie Amazon oder Apple ausgelöst wurde. Die Schweizer Tochter der deutschen Weltbild Gruppe musste sich nach Konkurs und Besitzerwechsel des Mutterhauses zusätzlichen Umtrieben stellen. Die Umsetzung der 2013 begonnenen Fusion von Orell Füssli Buchhandlungen und Thalia mit ihren unterschiedlichen Kulturen, IT-Systemen und Marken ist eine anspruchsvolle Change-Aufgabe. Auch Ex Libris befindet sich in einem Transformationsprozess, der 2010 mit der konzeptionellen Neuausrichtung der Kanäle begann, anschliessend zunächst in den digitalen Kanälen und aktuell mit einem Umbau der Filialen umgesetzt wird. Der Marktanteil ausländischer Anbieter, das ist primär Amazon, wird auf 40 % bis 50 % geschätzt. Besonders schwierig ist es für Schweizer Medienhändler, an der digitalen Distribution von Büchern, Musik, Filmen oder Games zu partizipieren.
Im Modehandel
Die Produkte sind nur beschränkt anhand klarer Kriterien vergleichbar, sie weisen eine hohe und weitgehend stabile Marge auf und Schweizer Anbieter spielen eine untergeordnete Rolle. Führend sind die ausländischen Shops von Zalando, La Redoute und der Otto-Gruppe. Modeartikel weisen im ganzen E-Commerce die höchste Retourenquote auf, was einen hohen Einfluss auf die Rentabil-ität haben kann. Eine aktuelle Untersuchung des E-Commerce-Center Köln (ECC Köln) zum Direktvertrieb von Fashion-Topmarken zeigt, dass zwar in allen zehn untersuchten Onlineshops CrossChannel-Verlinkungen zu stationären Läden erfolgen, dass in sieben Fällen aber ausschliesslich auf eigene Markenläden verwiesen wird. Lediglich drei Anbieter beziehen unabhängige Textileinzelhändler, die die Marke führen, mit ein.
Handel mit IT und Unterhaltungselektronik
Der Handel mit Produkten aus IT und Unterhaltungselektronik unterliegt wie der Medienhandel einer hohen Transparenz und einem scharfem Wettbewerb auch auf der Preisebene. Die Branche arbeitet mit einer so niedrigen Handelsspanne, dass einige Studienteilnehmer glauben, dass diese nicht mehr weiter sinken kann. Im Kontext dieser margenschwachen Branche hat Digitec die Innovation sehr fokussierter Filialen als Teil eines kanalübergreifenden Handelskonzepts hervorgebracht. Microspot treibt Same Day Delivery ohne Kostenaufschlag über Pick-up-Stellen voran. Die führenden Onlineanbieter dieser Branche sehen sich nicht durch internationale Wettbewerber bedroht. Die Leistungsfähigkeit der Branche ist so hoch, dass sie in den letzten Jahren trotz kontinuierlichem Preisverfall ihr Umsatzvolumen steigern konnte. Die traditionellen Anbieter dieser Branche haben es allerdings nicht geschafft, ihre angestammte Marktposition auf den Onlinehandel zu übertragen. Lediglich Interdiscount hat mit seiner als Preisführer positionierten Onlinemarke microspot.ch eine beachtliche Aufholjagd gestartet
Reisen
In der Reisebranche sind die Vertriebskostenvorteile des Onlinevertriebs im Vergleich zu stationären Reisebüros besonders hoch. Aufgrund des fehlenden physischen Fulfillments ist aber auch der internationale Wettbewerb sehr hoch. Kanalübergreifende Handelskonzepte: Die Beurteilung des Potenzials kanalübergreifender Handelskonzepte fällt nochmals positiver aus als im Vorjahr. Die Präsenz der Marke, die Möglichkeit zum persönlichen Kontakt und mehr Potenzial für Impulskäufe werden als Vorteile stationärer Anlaufstellen genannt. Die Herausforderungen einer Omnichannel-Strategie für ein filialisiertes Handelsunternehmen, das auf allen Kanälen ein einheitliches Leistungsniveau und kanalübergreifende Services anstrebt, sind weiterhin enorm. In den Branchen Verkehr und Tickets haben kanalübergreifende Geschäftskonzepte gar keine Bedeutung.
Logistik
Logistik gilt weiterhin als eine Schlüsseldisziplin für den Erfolg im E-Commerce. Der Aspekt, der dabei in diesem Jahr die höchste Beachtung fand, ist die kundengerechte Steuerung der Sendungsübergabe. Was nützt dem Kunden eine schnelle Zustellung, wenn er dann einen gelben Zettel im Briefkasten findet und vielleicht tagelang keine Gelegenheit hat, die Sendung an einem Postschalter abzuholen. Kunden wollen ihre Zeit besser disponieren können; sie sollen Übergabezeitpunkt und –ort mitbestimmen können und die tatsächliche Übergabe muss für die Empfänger planbarer und zuverlässiger werden. Die Konsequenz aus dieser Forderung ist weitreichend, sie stellt die Steuerung der Zustelllogistik auf den Kopf: Heute bestimmt indirekt der Versender mit der Übergabe an den Paketdienstleister, wann eine Sendung ankommt.
Unverändert wird das Fehlen einer flächendeckend leistungsfähigen Alternative zur Schweizerischen Post als Logistikpartner als Nachteil angesehen. Der fehlende Wettbewerb unter den Logistikdienstleistern in der Schweiz dämpft die Entwicklung des E-Commerce. Der Grund dafür ist, dass sich die Onlineanbieter im Wettbewerb voneinander unterscheiden wollen. Ein einzelner Logistikanbieter muss aber in standardisierten Logistikprodukten denken. Sowohl in der Migros- als auch in der Coop-Gruppe werden Lösungen für gruppenweite Cross-Channel-Services getestet: Migros lancierte Ende Mai 2015 den Service PickMup – eine Dienstleistung, durch die Kunden Bestellungen aus den grössten Onlineshops der Migros-Gruppe an 25 Pilotstandorten der Migros, von Ex Libris oder Migrolino abholen können. microspot.ch bietet ein Same-Day-Delivery-Angebot via Pick-up-Stellen an.
Mobile
Der Trend zur Verlagerung von Internet-Traffic auf mobile Endgeräte ist stärker und anhaltender als selbst von Protagonisten erwartet. Die zunehmende mobile Internetnutzung gilt im Studienpanel zwischenzeitlich als Wachstumstreiber Nummer eins für E-Commerce. Bereits 2014 erzielten 60 % der Studienteilnehmer über 10 % ihres Umsatzes über mobile Endgeräte, ein Viertel sogar über 30%. Im Übrigen manifestiert sich die Erkenntnis des unterschiedlichen Nutzerverhaltens je nach Gerätetyp. Auf dem Smartphone geht es häufiger um Effizienz und schnelle Lösungen, auf dem Tablet lassen sich die Leute Zeit, surfen und nutzen den angebotenen Mediencontent intensiver. Die hohe Bedeutung der Zahlungslösung in den mobilen Bestellkanälen ist den Teilnehmern bewusst. Viele verfolgen die Entwicklung bei den aktuell zahlreich neu lancierten Initiativen für mobile Bezahlung und Wallets aufmerksam, nehmen aber noch überwiegend eine abwartende Haltung ein. Es ist noch zu schwierig abzuschätzen, welche Lösung sich am Markt durchsetzen wird. Als Erfolgsmerkmale gelten Einfachheit und Benutzerakzeptanz. Einige Personen kritisieren zu hohe Kommissionsforderungen der Systembetreiber. Wenn die Mobile-Bezahlung einmal auch bei einem Erstkauf einfach, schnell und sicher geht, könnte MobileCommerce richtig durchstarten
B2C E-Commere in den einzelnen Unternehmen
Investitionen
Bei etwa der Hälfte der Studienteilnehmer lässt das Aktivitätsportfolio darauf schliessen, dass hohe Investitionen getätigt werden. Noch mehr Studienteilnehmer als 2014 sagen, dass sie im laufenden Jahr mehr investieren als in früheren Jahren, rund zwei Drittel sagen, sie investieren so viel sie können. Einige Unternehmen sind bei ihren Investitionen durch Personalengpässe limitiert, insbesondere in der IT.
Woran die Unternehmen arbeiten: Identitätsfindung, Repositionierung, organisatorische Transformation
Bei 17 der 38 an der Studie teilnehmenden Unternehmen kann davon gesprochen werden, dass die Identität auf dem Prüfstand oder teilweise im Fluss ist.
Informatik
Die grösste interne Baustelle ist die Informatik. Über die Hälfte der Studienteilnehmer treibt grosse IT-Projekte voran, die deutlich über die gewöhnliche Wartung und Weiterentwicklung hinausgehen. Mobile-Apps müssen in immer kürzeren Abständen aktualisiert werden.
Segmentierte oder personalisierte Kommunikation
CRM oder die Suche nach Kommunikationsformen mit geringerem Streuverlust gehört ebenfalls zu den besonders häufig als wichtig erachteten Aktivitätsfeldern. Um den gestiegenen Kosten in der Kundenakquisition etwas entgegenzusetzen, versuchen die Unternehmen in den bestehenden Beziehungen mit weniger Kosten mehr Ertrag zu generieren. Ziel ist es, für den jeweiligen Kunden zum richtigen Zeitpunkt für ihn relevante Inhalte zu kommunizieren.
Multikanalaufstellungen
Kanalübergreifende Handelskonzepte sind seit Jahren ein Hot Topic und es gibt zwischenzeitlich eine Reihe von Erfolgsgeschichten. Bei Unternehmen, die kanalübergreifend mehr als eintausend Mitarbeitende haben, kommen diese Konzepte allerdings erschreckend langsam voran. Ende Mai 2015 lancierte Migros den Pick-up-Service PickMup, der Sendungsabholungen an Standorten unterschiedlicher Migros-Unternehmen ermöglicht. Gemessen am Leistungsniveau führender E-Commerce-Anbieter ist das aber noch ein kleiner Schritt. Zum Beispiel kann die Ware an den Abholstellen nicht bezahlt werden, so dass eine wichtige Funktion von Pick-up-Stellen nicht erfüllt wird. Gleiches gilt auch für die Coop-Abholstellen von microspot.ch. Ein Auslöser für Transformation sind immer wieder neue Technologien. In den Startlöchern stehen eine ganze Reihe neuer Technologien für Digital Wallets und Cashless Payment. Je nachdem, welche Lösungsansätze sich durchsetzen werden, entsteht ein mehr oder weniger disruptives Transformationspotenzial. Auch für E-Commerce-Anbieter heisst es dann wieder, möglichst schnell zu erkennen, wohin die Reise geht, und die besten Plätze in einer veränderten Welt rechtzeitig zu besetzen
Erwartungen für die Zukunft – für das Jahr 2020
Auch im Jahr 2015 gehen alle Studienteilnehmer von weiter steigenden Marktanteilsgewinnen des E-Commerce in den kommenden fünf Jahren aus. Es muss allerdings beachtet werden, dass sich der bereits erreichte Marktanteil des E-Commerce je nach Branche stark unterscheidet und die Teilnehmer die Entwicklung aus der spezifischen Sicht ihrer Branche beurteilen: bei Lebensmitteln beträgt der Anteil des E-Commerce rund 1 %, bei IT- und Unterhaltungselektronik rund 25 %. Insgesamt wird das Ausmass der Marktanteilsgewinne wie bereits im Vorjahr wieder etwas geringer eingestuft. Von den 31 Personen, die die gleiche Frage 2014 und 2015 beantwortet haben, erwarten sechs in diesem Jahr eine höhere Zunahme des Marktanteils und 16 eine niedrigere. Insgesamt lässt sich also sagen, dass der Trend zur Kanalverlagerung anhält, sich aber abschwächt. Eine hohe Zunahme des E-Commerce-Marktanteils wird in der Supermarktbranche sowie in einigen Unternehmen mit spezialisierten Geschäftskonzepten erwartet.
Trends
Auf die Frage, welche aktuellen oder neuen E-Commerce-Trends in den kommenden fünf Jahren an Bedeutung gewinnen werden, ist die am häufigsten genannte Antwort Mobile. Darüber hinaus sind weitere Themen im Umfeld der mobilen Gerätenutzung im Fluss, wie etwa neue Werbeformen, Cross –Device Nutzerverhalten und -Tracking, Wearables, mobile Zahlungslösungen. Weitere, häufig als wichtige Trends bezeichnete Themen sind Personalisierung, Cross-Channel-Konzepte, dynamische Preisbildung und Digital Wallets
Ein Blick zurück in das Jahr 2010
„Auf höherem Leistungsniveau in eine mobile Zukunft“ –das war die Essenz des E-Commerce-Reports Schweiz 2010. Mobile Commerce wurde vor fünf Jahren erstmals als klar dominierender Trend angesehen. Drei Aspekte in Bezug auf Mobile wurden unterschätzt: erstens, dass die Verlagerung des Traffics derart massiv erfolgen würde, zweitens, dass die Conversion nicht einfach mit dem Traffic mitkommt und drittens, dass das Internet in Bezug auf Technologien, Plattformen und Einsatzszenarien derart fragmentiert werden würde. Ein Hot Topic im Jahr 2010 waren zudem Social Media, deren Stellenwert für den E-Commerce schwer einschätzbar war. Was sich als Thema von 2010 bis heute durchzieht, ist, dass sich die Komplexität vor allem in der Informatik, aber auch in der eigenen Organisation, immer wieder als höher herausstellt, als erwartet.
6 Horizontale Onlinemarktplätze
Grosse – zumindest finanzielle – Bewegungen erfolgten zu Beginn des Jahres 2015 durch Investments der Mediengruppe Tamedia. Sie übernahm die Ricardo-Gruppe und erwarb weitere Anteile an der Kleinanzeigenplattform tutti.ch, so dass sie nun beide vollständig besitzt. Abgesehen von ebay.ch gehören jetzt alle grossen horizontalen Marktplätze in der Schweiz mehrheitlich zu Schweizer Unternehmen. Bei Classifieds findet auf diesem Weg eine Konsolidierung statt, denn Tamedia besitzt nun mit tutti.ch und OLX zwei gleichartige Plattformen
Kostenpflichtige horizontale Onlinemarktplätze in der Schweiz: wie Ricardo, Amazon, Ebay
In der Schweiz stehen die Onlinemarktplätze nach den von VSV/GfK für 2014 publizierten Zahlen für ein seit Jahren konstantes Handelsvolumen in Höhe von 850 Mio CHF. Das entspricht einem Marktanteil von knapp 15 % am E-Commerce-Volumen mit Waren. In Deutschland hat das Volumen der Onlinemarktplätze (v.a. Amazon und eBay) einen sehr viel höheren Anteil von 58 % (24.2 Mrd Euro). Und das, obwohl die Warenumsätze der Onlinemarktplätze 2014 in Deutschland um 9 % eingebrochen sein sollen.
Jahresschwerpunkt: Ticketing
Das elektronische Ausstellen von Reise- oder Veranstaltungstickets zählt schon zu den klassischen Domänen des E-Commerce. Dennoch lassen sich in diesem Bereich auch heute noch Innovationen beobachten, die zum Teil durch Mobile Commerce und neue Serviceleistungen getrieben werden. Auf diese Weise entstehen vielfältige Konzepte und Systeme für das Ticketing, dessen Marktpotenzial immens ist: Nach Angaben der Studienteilnehmer liegt der Wert der in der Schweiz im öffentlichen Verkehr verkauften Tickets bei über 4 Mrd CHF, bei Flügen bei gut 2 Mrd CHF und bei Veranstaltungstickets bei über 1 Mrd CHF. Im Bereich der Veranstaltungstickets erwirtschaften die Ticketing-Unternehmen aus rund 20 Mio Tickets einen Erlös von über 100 Mio CHF.
Die Mitte 2014 lancierte neue Website und Buchungsplattform von Swiss International Air Lines setzt in vielerlei Hinsicht Massstäbe. swiss.com setzt darauf, den Direktkontakt mit Swiss attraktiver zu machen. Die Website und der ganze Buchungsprozess sind in Responsive Design realisiert, so dass plattformunabhängig eine hohe Usability gewährleistet ist.
Von 75 % auf 90 % will die SBB den Anteil des selbstbedienten Ticketabsatzes bis 2023 erhöhen, der Anteil von Online- und Mobile-Tickets soll dann 50 % betragen. Das ist mehr als eine Verdreifachung gegenüber heute. Grund dafür sind die bei der SBB erforderlichen Kosteneinsparungen.
Die BLT Baselland Transport AG setzt einen neuen Massstab im Kleinen. Für die beiden Schlüsselfaktoren Kundenidentifikation und Zahlungsabwicklung findet die BLT Ticketing-App eine bestechende Lösung: Nach einer einmaligen Registrierung werden die Kunden über ihr Smartphone automatisch identifiziert. Die Zahlungsabwicklung erfolgt dann im Hintergrund durch den Payment Service Provider. Was im Frontend einfach erscheint, braucht im Backend gute Lösungen. So mussten einfach nutzbare und kostengünstige Zahlungsverfahren integriert werden. Die Tickets benötigen einen elektronischen Kontrollcode, der von den Kontrolleuren aller angeschlossenen Verkehrsbetriebe verifiziert werden kann
Private Parkplatzvermietung: parku
Der Individualverkehr vor allem in Ballungsräumen leidet zunehmend an Parkplatznot. Die Kommunen bauen immer mehr Parkraum ab, um den Individualverkehr einzudämmen. Gleichzeitig stehen private Parkplätze in zunehmendem Masse leer, weil ihre Besitzer weniger Fahrzeuge haben oder den Parkplatz nur zeitweise nutzen. Die Sharing-Plattform der parku AG leistet einen Beitrag zur Lösung dieses Dilemmas, weil vorhandene Ressourcen besser genutzt werden: Autofahrer können über parku.ch oder die parku-App leerstehende Parkplätze von privaten Besitzern reservieren und bezahlen. Mit dem integrierten Navigationssystem (Google Maps) steuern sie den Parkplatz direkt an und vermeiden so unnötigen Suchverkehr. Momentan ist das in der Schweiz gegründete Unternehmen parku in der Schweiz und in Deutschland aktiv. Im Sommer 2015 soll die Expansion nach Österreich und in die Niederlande erfolgen.
Eigenvertrieb von Kinovorführungen: kitag
Die kitag AG ist mit über 18‘000 Sitzplätzen in 84 Sälen in acht Städten die grösste Kinobetreiberin in der Deutschschweiz. Kitag vertreibt seine Tickets selbst. Dazu wurde Ende 2014 eine neue Website lanciert. Diese regt Besucher durch Integration zahlreicher Medieninhalte zum Kinobesuch an. Kunden haben zudem die Möglichkeit, Filme zu bewerten, Freunde einzuladen und
Inhalte auf Social-Media-Plattformen zu teilen. Die integrierte Ticketing-Lösung unterstützt einen sitzplatzgenauen Verkauf und die Reservierung von Tickets über eine Responsive Website oder über Apps. Die Lösung ist in Echtzeit in das Kassensystem integriert, so dass das Angebot an Plätzen auf allen Kanälen jederzeit aktuell ist und Doppelbuchungen vermieden werden. Gekaufte E-Tickets ermöglichen direkten Saaleinlass und können auch an Freunde versendet werden. Das kostenpflichtige Kundenbindungsinstrument Carte bleue identifiziert die Besucher und generiert Profildaten, die für individualisierte Onlineinformationen und Newsletter verwertet werden. Gleichzeitig integriert die Carte bleue das Cashless-Payment-System Swisscom Natel® Pay. Neben den Tickets können so auch vergünstigte Kioskeinkäufe über die Telefonrechnung bezahlt werden.
Dienstleister-geschützter Eigenvertrieb von Freizeitaktivitäten: TrekkSoft
TrekkSoft entstand aus dem Vorhaben, für zwei Tourenveranstalter in Interlaken eine Buchungsplattform aufzubauen. Schnell zeigte sich, dass die nötigen Grössenvorteile nur dann realisiert werden können, wenn die Plattform von mehr Unternehmen getragen wird. So wurde eine SaaS-Lösung konzipiert, die von kleinen und grossen Veranstaltern sowohl für Ticketing und Teilnehmermanagement als auch zur Vermarktungs- und Distributionsunterstützung genutzt werden kann. TrekkSoft ist eine Self-Service-Lösung, in der die Kunden Einrichtung und Konfiguration weitestgehend selbst durchführen.
Dienstleister-geschützter Eigenvertrieb von Veranstaltungen jeglicher Art: tixtec
Die tixtec AG ist ein IT-Service-Provider für Veranstalter, die Vermarktung und Vertrieb ihrer Tickets auf einem hohen professionellen Niveau selbst organisieren wollen, ohne eine eigene IT-Plattform zu betreiben. Das Geschäftsmodell – im Branchenjargon als B2B-Lösung bezeichnet – gibt es seit langem und der Markt wird von einigen Studienteilnehmern als gesättigt angesehen. Dennoch brachte ein ausgewiesener Branchenkenner Ende 2013 mit tixtec ein neues Angebot auf den Markt. Mit ihm sollen Veranstalter mehr Wertschöpfung erzielen und selbst davon profitieren können. Im Zentrum steht, dass der Veranstalter selbst eine Beziehung zu den Veranstaltungs-besuchern pflegt, seinen Markenwert steigert und insbesondere das Potenzial der Kundendaten besser verwerten kann: „Im Direktvertrieb ist es entscheidend, seine Kunden zu kennen. Im klassischen indirekten Vertrieb bleiben die Kunden für den Veranstalter anonym, den Datenschatz baut der Ticketing-Anbieter auf“ meint George Egloff von tixtec.
Erweiterte Ticketing-Dienstleistungen: Starticket
Die Starticket AG ist eine Ticketing-Dienstleisterin in den Bereichen Konzerte, Festivals und mehr. Sie vertreibt jährlich rund zwei Millionen Tickets für 9‘000 Veranstaltungen. Starticket startete ihr offenes Angebot an Ticketing-Services 2003 als Geschäftsfeld der Cinerent Open Air AG. Starticket erweitert die Leistung des Ticket-Handlings um Vermarktungsleistungen. Die Identität als Vermarktungsdienstleister wird durch das Portal starticket.ch begründet. Aufsehen erregte Starticket durch die seinerzeit in der Schweiz neue print@home-Distribution, die bei jeder Veranstaltung angeboten wird. print@home vereinfacht die Ticketdistribution erheblich und reduziert die Kosten. Die Ticketcorner AG ist in der Schweiz der Massstab für Ticketing und mit Abstand die grösste Anbieterin. Bei über 15’000 Veranstaltungen im Jahr – darunter viele Grossveranstaltungen – kommen ihre Ticketvertriebslösungen zum Einsatz. Neben anderen betreibt Ticketcorner für Migros den Cumulus-Ticketshop. Solche White-LabelShops – das sind parallel unter dem Logo des Partners erscheinende Onlineshops – erhöhen das Verkaufspotenzial bei den Kommunikationsempfängern des Partners. Mit dem Angebot „Prime“ hat sich Ticketcorner eine zusätzliche Wertschöpfungsquelle rund um Veranstaltungen erschlossen: Bei Prime handelt es sich um VIPPackages oder spezielle Angebotskombinationen für exklusive Kunden- und Mitarbeiteranlässe.
Digitale Transformation im Ticketing
Im Ticketing haben sich die Strukturen bisher nur moderat verändert und das, obwohl Tickets heute in hohem Mass online bestellt werden und dank Smartphones einen rein digitalen Lebenszyklus aufweisen könnten. Weder ist ein globaler Pure Player à la Google oder Facebook in den Markt eingetreten, noch hat ein nationaler Player die Spielregeln grundlegend verändert.
Indirekter Vertrieb
Es gelten die typischen Vor- und Nachteile eines indirekten Vertriebs: Keine Notwendigkeit eigener Vertriebsinfrastruktur, Nutzung externer Vermarktungskompetenz, Präsenz auf dem jeweiligen Anbieterportal, besserer Zugang zu den Medien des jeweiligen Kozerns und allenfalls weiteren Vertriebs- und Kommunikationskanälen sind die Vorteile. Nachteilig sind, neben den abzutretenden Kommissionen, der fehlende eigene Kontakt zu potenziellen Kunden vor der Veranstaltung, die fehlende Differenzierung der eigenen Marke und des eigenen Angebots sowie der teilweise oder vollständige Verzicht auf Kundendaten. Letzteres limitiert die möglichen Kundenbindungs-massnahmen stark.
Direkter Vertrieb mit externen Lösungen
Für Veranstalter, die ihre Tickets selbst vermarkten wollen, bieten Dienstleister wie Ticketportal, Ticketino, SecuTix sowie die im Studienpanel vertretenen tixtec und TrekkSoft Softwarelösungen an. Sie wollen für die Veranstalter eine Alternative zu den oft als teuer wahrgenommenen Full-Service-Ticketing-Anbietern sein. Bei der tixtec-Lösung handelt es sich im Kern um eine konfigurierbare Business Software für unterschiedliche Veranstalter. Sie wird über das Internet bereitgestellt. Eine Besonderheit bei Veranstaltungstickets ist, dass Closed-Loop-Systeme benötigt werden. Das sind integrierte Systeme inklusive physischen Komponenten zur Einlasskontrolle am Veranstaltungsort. Auch TrekkSoft ist ein Anbieter, der seine Softwarelösung zur Publikation, Vermarktung via Drittplattformen und Ticketing über das Internet bereitstellt. Im Unterschied zur breit einsetzbaren tixtec-Lösung ist TrekkSoft auf ein ganz spezifisches Marktsegment ausgerichtet.
Quelle: E-Commerce-Report Schweiz 2015, https://www.e-commerce-report.ch/bestellungen